Shopping-Sonntag in einer kleinen Stadt.

November 23, 2008 at 4:40 pm (jerusalem) (, )

Balkon, Sweet Balkon

Balkon, Sweet Balkon

Heute ist mein Tagesmotto das von Alfred J. Kwack. Warum zur Hölle bin ich so fröhlich? Da meine Stiefel den Geist aufgegeben haben, brauchte ich neue – also ab in die Salah-Eddin-Street und Schaufensterbummel betreiben. Da sah ich welche, flach, warm, schwarz. Alle Kriterien erfüllt. Ich lungerte im Ladeneingang rum, bis der mit circa 14 Jahren jüngste der drei Verkäufer zu mir kam. „tis’a wa talatin min hadha, min fadlik!“ (Größe 39 von denen da, bitte!) Grandioserweise verstand er das sogar. „Al-Laun?“ „Aswad!“

Das Reich von Andreas

Das Reich von Andreas

Und siehe da – eine Minute später hatte er sie mir aus dem Lager geholt und wollte den Reißverschluß öffnen, um sie mir anziehfertig zu reichen. Aber der klemmte und ließ sich erst nach mehreren Versuchen öffnen. Mit einem etwas schlechten Gefühl zog ich den Schuh an und zog den Reißverschluss hoch. Der Schuh war toll. Nur ging der Reißverschluss nicht wieder auf. Ich zog und zerrte und fummelte – aber nichts tat sich. Der Junge kam, um mir zu helfen, sein Opa ebenfalls. Nach ca. 5 min erwartete ich, dass sie ein Messer holen würden, aber da bekam der Junge den Verschluß bis auf 5 cm vor dem Ende auf. Gemeinsam zogen die Zwei an dem Schuh, während ich versuchte, mein Bein nicht auszurenken. Plopp, ich war frei. Leider konnten die Männer kein Englisch – mit meinem beschränkten Arabisch, Hand und Fuß, gelang es mir dann jedoch dem Verkäufer zu verklickern, dass ich den Schuh gern kaufen würde, aber ein heiles Paar. Wow. Nach einer Viertelstunde verließ ich den Laden mit einer großen Tüte.

Unser spartanisches Wohnzimmer

Unser spartanisches Wohnzimmer

Draußen war Trubel, den ein Demonstrationstrupp zog gerade die Straße hoch und bog dann in einen Eingang ein, an dem neben viel arabischer Schrift auch klein „Jerusalem Tombs“ stand. Außer dass die Protestierenden „Allahu akbar“ riefen, verstand ich leider nicht wofür oder wogegen sie durch die Straßen liefen. Ich lief die Straße hinunter, wagte ein paar Schritte durchs Damaskus Gate, verlor in dem Trubel der Altstadt aber nach ein paar Metern die Lust und rief Julian an, um einen Kaffee zu trinken.

Ach, du kleine Stadt…

Blick aus dem Wohnzimmer

Blick aus dem Wohnzimmer

Während wir im Café saßen und über die vorbeiziehenden Leute und unsere Erlebnisse redeten, erzählte Julian, dass er den deutschen Botschafter in Israel im Rahmen seines Praktikums getroffen hatte. 10 Minuten später lief Dr. Kindermann mit seiner Frau an uns vorbei – witzig.

Ich zog noch ein bisschen durch die Straßen, auf der Suche nach etwas Bezahlbarem zum Anziehen. Da liefen zwei Frauen in EAPPI-Westen (Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel) an mir vorbei – die Beiden hatte ich am Donnerstag bei der Pressekonferenz am Al-Kurd-Solidaritätszelt getroffen. Die Stadt ist so klein! Da fand ich einen kleinen Indien-Klamottenladen, und war hin und weg. 2 Röcke, 2 Oberteile für zusammen 40 Euro – das ist quasi unschlagbar! Bepackt hüpfte ich nach Hause, kaum Herr meiner guten Laune…

Wieder in der Wohnung

Unsere kleine Küche

Unsere kleine Küche

Ich habe den Text heute mit ein paar Fotos aus der Wohnung aufgelockert, sind nicht die besten, aber mein Unterschlupf ist zu verwinkelt, um bei meinem schlechten Zoom gute Aufnahmen zu machen. Ich mag meine Straße wirklich. Die kleinen Kinder die hier wohnen sind total niedlich und rufen mir immer ein fröhliches „Shalom“ entgegen und lachen sich dann kringelig wenn ich auf arabisch zurückgrüße. Beim Gemüsehändler gegenüber ist es schon fast zur Gewohnheit geworden, dass der immer gleiche Verkäufer und ich in einem englisch-arabisch Mix dem jeweils im Laden verweilenden Kunden aus der Umgebung klar machen, dass ich keine Jüdin bin, kein Ivrit spreche und bei Abu Diab wohne. Mittlerweile sollten es alle wissen, soviele wohnen hier doch nicht. Der gute Gemüsemann sorgt auch dafür, dass ich nur das beste Obst und Gemüse kaufe. Nehme ich eine Melone aus dem Regal und lege sie zu den anderen Sachen, zeigt er mir Gründe warum ich besser eine andere nehmen sollte und tauscht sie um. Und dann gibts wieder eine Dattel – ich denke ich habe mittlerweile ein Kilo Datteln geschenkt bekommen. Total nett!

Und weil doch heute Sonntag ist, hier mein Wochenend-Lesetipp: Ein Augenzeugenbericht eines EAPPI-Freiwilligen über die Stimmung am Checkpoint vor Bethlehem, bei dem die ersten Arbeiter sich morgens um drei anstellen, um um fünf Uhr zu den Ersten zu gehören, die durchgelassen werden, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Wie sie warten, beten, und gegen unfaire Vordrängler in ihren Käfigen ausharren. Da ich morgens und abends meistens mit diesen Leuten im selben Bus sitze, besteht da also ein Zusammenhang. Hier!

Und weil ich heute halt einfach viel zu gute Laune hab, hier das Original:

Hinterlasse einen Kommentar